Das "IRMA*-Konzept"


1. Von der ver-/entsorgten Klimahülle zum quasi-autarken Lebensraum
Ulrich Peickert, Wilhelm Ripl. Franz Schmalstieg

Neben der funktionalen Sicherung von Grundbedürfnissen - z.B. nach Schutz, des Arbeitens und Wohnens, der Kommunikation usw. - waren Baukörper auch immer eine Klimamembrane für Mensch, Tier, aber auch Pflanzen, die die tägliche oder jahreszeitliche vorherrschende Witterung milderte und die deren Komponenten im Laufe der Baugeschichte immer besser auszunutzen verstand - die Sonnenstrahlung beispielsweise oder die natürliche Luftbewegung. Dies änderte sich erst mit dem Beginn der "Moderne" im 21. Jahrhundert: Die weitgehend zentralisierten Ver- und Entsorgungssysteme hatten sich soweit entwickelt, dass zumindest in den Industriestaaten z.B. die Verfügbarkeit von Elektro- und Wärmeenergie auf klassisch fossiler, später auch atomarer Basis zeitweilig bis zu sinnloser Verschwendung unproblematisch schien. Die Architekturgeschichte benennt diese, bis in die Gegenwart reichende Epoche völlig zutreffend als den "International Stile" - zumeist großvolumige Stahl-Glas-Konstruktionen, die nur mit einem gewaltigen klimatechnischen Aufwand überhaupt zu beherrschen waren. Die Städte wuchsen weit über ihren natürlich bestimmten Ressourcenbereich hinaus, Metropolen entstanden, Verflechtungsräume und damit ein letztlich nur noch überregional, teils global zu befriedigendes Ver- und Entsorgungsbedürfnis.

Das damit zwangsläufig verbundene Verkehrsaufkommen und dessen Betrieb (wiederum über das Verbrennen fossiler Rohstoffe) ruft bereits landstrichweise regelmäßig Verkehrsinfarkte hervor, die Versorgung mit trinkbarem Trinkwasser ist vielenorts bereits mehr als problematisch, die Abwasserentsorgung zumeist nichts weiter als der Transport wertvoller Sekundärrohrstoffe auf Nimmer-Wiedersehen in die Meere oder auf Deponien. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist regional schon lange nicht mehr zu bewältigen und über die Verkehrssubventionierung bereits globalisiert: von je weiter her, zumeist um so billiger. Große Teile der national verfügbaren Flächen der Land- und Forstwirtschaft sind hochgradig ruiniert, ebenso die lokalen Klimata - in der Stadt schon länger als im Raum: Alexander Mitscherlich diagnostizierte bereits in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts "die Unwirtlichkeit unserer Städte". Die " Charta von Athen" hatte offensichtlich keines der industriellen Urbanisierungsprobleme lösen können, sondern diese (mit Hilfe des Kraftfahrzeugverkehrs) nur in die Fläche verlagert. Zu Lasten der für den Menschen primären Funktionalstruktur "Landschaft", wie sich in nur wenigen Jahrzehnten u.a. in und um Athen selbst in erschreckendem Ausmaß bewies.

Erst mit der globalen Verknappung lebensnotwendiger Ressourcen, nicht mehr kaschierbaren Umweltschäden, der (Grundlagen-) Erforschung natürlicher Kreislaufprozesse, der damit einhergehenden Entwicklung dezentraler Versorgungstechnologien und der Verfügbarkeit entsprechend angepasster Materialien, aber auch der Aufarbeitung des zwangsläufig sehr viel komplexeren Wissens der Baumeister vergangener Epochen, "sich die Elemente nutzbar zu machen", könnte und muß sich vielleicht sogar ein immer wieder gehegter Architektentraum durchsetzen: die Entwicklung von quasi - autarken Gebäudestrukturen auf Basis extrem kurzgeschlossener Kreisläufe zur Sicherung der primär-funktionalen menschlichen Lebensbedürfnisse - eine Art "Arche der Neuzeit".

Typologie

Die Zweckbestimmungen von Gebäuden waren in der Vergangenheit - u.a. bedingt durch technisch-entwurfseitig nicht beherrschbare Unverträglichkeiten - zumeist separiert: Wohnen
z.B. vertrug sich nicht mit (städtischem) Arbeiten, die Nahrungsmittelproduktion und Ver- und Entsorgungsprozesse darüber hinaus mit beidem nicht.
Die Gartenstadtbewegung der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert führte für einige Zeit zumindest Wohnen, Versorgen, urbane Infrastruktur und Erholen wieder zusammen: die damalige ökonomische Schieflage "erfand" die lebensgestaltenden Qualitäten einer frühen Subsistenzwirtschaft, die in vielem bis heute als zukunftsfähig anzusehen sind. Allerdings damals noch ohne tatsächlich "innovative" Gebäudestrukturen auskommen müssend: die zentralen Versorgungssysteme waren gerade erst in der Entwicklung und ließen ihrerseits dann die "Moderne" folgen, die zwar durch die Erdölkrisen in Erschütterung geriet, ohne jedoch tatsächlich abgelöst zu werden.
Bis zur "European Charter for Solar Energie in Architecture and Urban Planning" verging noch einmal ein Vierteljahrhundert und deren Breitenwirkung ist (weil immer noch zu partiell gedacht und strukturiert) auch heute noch nicht abzusehen. Jedoch weisen wesentliche Elemente der entsprechend dieser Programmatik errichteten Baukörper und Stadtteile bereits eindeutig auf die Entwicklungserfordernisse quasi - autarker Lebensräume hin.
Trotz noch generell unterschiedlicher Entwurfsstrategien - wie Minimierung energetischer Verluste versus Maximierung solarer Gewinne - setzen sich bereits "standards" wie passive und aktive Solarsysteme, Glasan- und aufbauten, integrierte Lüftungs-Heizungs-Syteme, Wärmepumpen, höchste Dämmqualität, zielgerichteter Einsatz von Pflanzen in/an Gebäuden, Trinkwassersparanlagen, gebäudeinterne Abwasserreinigungsgeräte, nachwachsende Baustoffe usw. schrittweise durch. Im solaren Städtebau ist eine möglichst exakte Südorientierung faktisch ohnehin "Naturgesetz" - nur, wo findet der schon statt?
Was allerdings gänzlich fehlt, ist ein auf die primären gesellschaftlichen Problemstellungen - wie ständige Arbeitslosigkeit, reale und potentielle Armut, deutlicher Bevölkerungsrückgang, generelle Ressourcenverknappung, maßloses Verkehrsaufkommen usw., aber auch die sich entwickelnden Möglichkeiten - wie (punktgenaue) Globalisierung der Informationssysteme (software), Dezentralisierung der Ver- und Entsorgungssysteme, Schließung regionaler Stoffkreisläufe, Nutzung "sekundärer" Ressourcen, Ausbau gesellschaftlicher Partnerschaften, ausgeprägte Naturbezogenheit usw., ausgelegtes städtebauliches und architektonisches Integrationskonzept, das vor allem an der "hardware" - also an den primären menschlichen Lebensbedürfnissen - orientiert ist. Eine künftig problemadäquate und damit zukunftsfähige Städtebau- und Baukörpertypologie wird somit zweifelsfrei aus den jeweils lokalen Ver- und Entsorgungserfordernissen abgeleitet werden müssen, während sich die traditionellen Nutzungsmuster wie Arbeiten und Wohnen entsprechend sinnvoll zu integrieren haben.

Kreislaufgeführte Ver- und Entsorgungstechnologien als funktionale Prämisse für die Entwicklung quasi-autarker Gebäude- und Siedlungsstrukturen

Dezentrale Energieerzeugung und -versorgung und ein dezentrales Wasserhaushaltssystem sowie quasi-geschlossene Energie-, Wasser- und Stoffkreisläufe in Verbindung mit intelligenten Klimamembrankonstruktionen sind die Voraussetzungen für die Entwicklung quasiautarker Gebäudestrukturen.

Der allgemeine Trend der technischen Entwicklung geht eindeutig zu dezentralen, ökonomisch und ökologisch hocheffizienten und nachhaltig wirkenden Systemen.
Das betrifft die technischen Ausrüstungen für die Energie- und Stoffwandlung sowie -transport als auch die Meß-, Steuer- und Regelsysteme inkl. der Kommunikations- und Informations-techniken.
Damit können quasiautarke Gebäudestrukturen in Anlehnung an zellulare Strukturen wie
- eigene Energieerzeugung und -umwandlung (Atmung, Photosynthese)
- Energie-, Wasser- und Stofftransport
geschaffen werden, die gekennzeichnet sind durch
- hohe Wirkungsgrade bei der Energie- und Stoffwandlung
- ökologisch nachhaltige Entwicklung bzw. Restrukturierung der städtischen und
dörflichen Siedlungen in Verbindung mit der Landschaft
- bessere Lebensqualität für die Bewohner.
Aufbauend auf die solare Glashausstruktur sollen in Kombination mit der energetischen Nutzung von Biomasse, der Integration des Wasserkreislaufes (Wasser und Wasserdampf als Energie- und Transportmedium sowie als Wärme- und Klimaregulator) und dem Einsatz von intelligenten Solartechniken (Solarthermie in Kopplung mit Photovoltaik) soll die Entwicklung quasi-autarker Gebäude- und Siedlungsstrukturen vorangebracht werden.

Der Faktor "Standort"

Entsprechend der generell funktionalen Bestimmung der zu entwickelnden Gebäudetypologie sind sowohl der Mikro- (Dorf, Stadt) als auch der Makrostandort (Region, Klimazone) maßgeblich für deren Ausprägung.
Soll z.B. eine bauliche Anlage im ländlichen Raum ausschließlich der Produktion von Naturdüngern, Futtermitteln und Gießwasser dienen, wird lediglich eine prozessstabilisierende Hülle für den "intelligenten Misthaufen" benötigt.
In einem dörflichen oder (rand-) urbanen Solitär unserer Breiten kommen die Energie- und Nahrungsmittel-, ggf. die Trinkwasserproduktion sowie klassische Nutzungsansprüche wie Wohn-, Verkaufs-, Büro- und Kommunikationsflächen (mit vergleichsweise unkomplizierten internen Ansprüchen, aber) mit hohem Integrationsbedarf hinzu.
In dichter besiedelten urbanen Beständen wird bei ähnlichen Funktionsprinzipien eine Anpassung an die vorhandenen Infrastrukturen und Gebäude durch Um-, An- und Aufbauten erforderlich sein - vermutlich der komplizierteste Teil der Typologie integrativer Gebäudelösungen. In seinen Möglichkeiten bisher kaum erkannt ist der massive Schrumpfungsprozess in den mittel- und westeuropäischen Städten und Industrieansiedlungen, der nur nach km² zu bemessende (Dauer-) Stadtbrachen zu erzeugen beginnt - in der Landeshauptstadt Magdeburg (SA) z. B. sind bereits heute 30.000 Wohnungen "überzählig"/in Summe ca.700 ha Stadtbrachen "im Entstehen": Die (nachindustrielle) Stadt erhält damit die vermutlich in ihrer Geschichte einmalige Chance, einen Großteil des Primärbedarfes an Energie, Wasser und Nahrungsmitteln in kürzestmöglich geschlossenen Kreisläufen hochintensiv und auf eigenem Territorium selbst zu erzeugen - Subsistenzwirtschaft nun auf denkbar anspruchsvollem Niveau. Im Gegenzug dazu könnte die über Jahrzehnte landwirtschaftlich ausgepowerte "Kulturlandschaft" einer zielgerichteten Regenerierung zugeführt werden (siehe Projektantrag).
Für Klimazonen mit hohem Solarenergieaufkommen, aber ständigem Wasser-, Dünger- und Nahrungsmangel wäre ein funktional Vorgenanntem vergleichbares Ver-/Entsorgungs- und Baukörpersystem vor allem auf die kreislaufgeführte Produktion von Trink- und Brauchwasser, Nahrungsmitteln und Bodenverbesserern (bei vergleichbarer Normalnutzung) auszulegen und übernähme so eine Art "Oasenfunktion" mit stetiger Ausbreitungsmöglichkeit in die Fläche.

Komponenten und Materialien

Ver- und Entsorgungstechnologien

Die Kombination der auf Biomassen modifizierten Verbrennungs- und Motorentechnik mit den technischen Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung und den verfügbaren Ausrüstungen zur Ver - und Entsorgungstechnik, Klimatechnik und anderen gebäudetechnischen Ausrüstungen ist erforderlich, um die o.g. Zielstellungen zu erreichen. In Abhängigkeit vom Standort ( Stadt oder Land ) und der Klimazone sind entsprechende Module für eine Integrierte Recycling Maschine -IRMA- zu entwickeln. Das betrifft u.a. den Einsatz folgender Kraft-Wärme-Maschinen:
- die Mikroturbinentechnik mit und ohne ORC-Prozeß,
- die Brennstoffzelle,
- die Enginion Zero Emission Micro Power Unit (ein innovativer Dampfmotor),
- den weiterentwickelten Stirlingmotor.
Desweiteren kommt im Wasser- und Abwasserkreislauf die Mikrofiltrationstechnik in Verbindung mit biologischen Wirkprinzipien zum Einsatz.

Baukörper

Das z.B. über die Integration von möglichst wartungsfreien Kompaktanlagen für die Ver- und Entsorgungsstruktur auf die zum Teil z. T. archaische Baumaterialiensituation in vielen Entwicklungsländern eingegangen werden kann, wird prinzipiell für möglich gehalten, müsste aber an anderer Stelle näher ausgelotet werden.
Als Entwurfs- und Konstruktionsprämisse für quasi-autarke Gebäude in Industrieländern sollen jedenfalls die generelle und preiswerte Verfügbarkeit, aber auch die Langlebigkeit und ein innovatives Systemdesign der Materialien gelten.

Wände/Decken

Eine energieeffiziente Klimaregulierung zwischen dem Außenraum und den verschiedenen Innenraumstrukturen setzt eine gebäudeintegriertes Lüftungssystem voraus, in dem die Massivbauteile (über ihre "Normalfunktionen" hinaus), Wasserbehälter und -flächen und ggf. der Baugrund Membran- und Speicherfunktionen übernehmen: bereits die griechische Hypokaustenheizung verfolgte diesen Bauplanungsgrundsatz. Wenn auch so bisher nicht eingesetzt, bietet der Baumaterialienmarkt doch entsprechend ausrüstbare Grundsysteme.

Holzbeton-Präzisions-Formsteine z.B. bieten (neben diversen anderen Vorteilen) die un-komplizierte Möglichkeit innerhalb ihres Betonvergußinlettes über den gesamten Außen- und Innenwandaufbau "Tubuli" zu führen, die ihre Entsprechung in vorgefertigten Spannbeton - Langloch-Deckenelementen finden und (betrieben durch ein einfaches Lüftungssystem) die Klimatisierung der Gesamtstruktur ermöglichen: zur Kühlung wird ggf. ein flächiger Erdkollektor herangezogen, der gleichzeitig für die gewünschte Temperierung der Pflanzenproduktionsböden sorgt und (Langzeit-) Wärme speichert.

Dächer

Spätestens mit dem Einsatz von TEXLON im "Eden-Cornwall-Projekt" wurden die Systemeigenschaften von Foliendächern weltweit bekannt. Ob hinsichtlich von Lichtdurchlässigkeit, Wärmedämmung, Verarbeitbarkeit, Dauerstabilität usw. und nicht zuletzt der Kosten sind sie seit Jahren vergleichbaren Stahl-Glas-Konstruktionen bei weitem überlegen. Verbesserungen insbesondere im Falle einfacher Geometrien und mäßiger Spannweiten erscheinen lediglich noch im Tragwerk möglich. Obwohl für derartige Belastungsfälle bisher nicht eingesetzt, sollten Endlos-Glasfiberstangen zu Verbundträgern kombiniert diese Aufgabe kostengünstig und zuverlässig übernehmen können - ähnliche Verwendungsbeispiele unter freiem Himmel weisen darauf hin.

2. Entwürfe* für ein "IRMA - building - project"
Ulrich Peickert, Martin Romstedt, Ingrid Grünheid

Vorbild

Mit der Errichtung der "Stensund Wastewater Aquaculture" ab 1987 in Trosa/Södermanland - Schweden entstand erstmals eine Architektur, die nahezu ausschließlich einem Zweck diente: der biologischen Reinigung von täglich 25 m³ häuslicher Abwässer einer Internatsvolkshochschule (Biologie: Björn Guterstam, Architektur: Bengt Warne). Das Grundkonzept für dieses "Laborgebäude" war denkbar einfach: Abwasser wurde nicht als ein unangenehmer Entsorgungsgegenstand begriffen, sondern als Nahrungsquelle für Lebewesen (Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere), die man entsprechend ihrer "Neigungen" nur in Kaskade zu einer vorgegebenen Fließrichtung zu schalten brauchte. Das Endprodukt sollte trinkwasserähnlich und auf jeden Fall unproblematisch in die Ostsee einleitbar sein. Die notwendige Betriebstemperatur des Systems war dabei durch die Eigenwärme des Abwassers und das passive Solarkonzept des Gebäudes zu gewährleisten. Der sonstige technische Aufwand beschränkte sich auf die Aneinanderreihung geeigneter Behälter in Fließrichtung, künstliche Gewässerbelüftung und z.T. Belichtung.
Als "Nebenprodukte" sollten Futterpflanzen wie Wasserhyazinthen , aber auch Gemüse z.B. Tomaten, Edelfische und Flusskrebse anfallen - wegen der Hygienevorschriften natürlich nur zu Demonstrationszwecken . Resultat: Die Reinigungswirkung der Lebewesengemeinschaft übertraf die Erwartungen bei weitem und nicht nur die Futtermittel (für die Schweinezucht), auch das Gemüse und die Fische erwiesen sich als durchaus genießbar. Das System funktionierte mehr als 10 Jahre störfallfrei bis es kürzlich außer Betrieb ging: Als Versuchsanlage zur biologischen Klärung häuslicher Abwässer - an eine biotechnologische Produktionsstätte (oder die durchaus mögliche Integration von Wohnen und Arbeiten) war nie gedacht.

* Die Begrifflichkeit entspricht nicht dem dafür in der Honorarverordnung für Architekten und Ingenieure beschriebenen
Leistungsumfang.

Prototyp 1: Das "No-IRMA-building" - der "intelligente Misthaufen"

Zielgruppe: verarmte Landwirtschaftsböden, Gärtnereien, Stadtbrachen, Steppen, Wüsten, Bergbauhalden
Option: Futtermittelproduktion

Die Erkenntnis, dass nichttoxische Abwässer insbesondere für Mikroorganismen und für einfachere Pflanzen- und Tiergesellschaften eine ideale Nahrungsgrundlage sein können, macht den Gedanken naheliegend, mit Hilfe von pflanzlichen Trägermaterialien einen Veredelungprozess in Gang zu setzen, der ein vor allem kohlenstoffhaltiges Substrat zur Verbesserung der Fruchtbarkeit und des Wasserhaltevermögens humusarmer Böden verfügbar macht.
Ausgangsstoffe könnten dabei sowohl Gülle, ausgegorene Biomasse aber auch häusliche und betriebliche Abwässer sein. Als Trägermaterial kommen übereinandergeschichtete Stroh- oder Heuballen infrage, die mit geeigneten Lebewesen (etwa Pilzkulturen) "geimpft" werden und sich aus den zu verrieselnden Nutzwässern ernähren. Nach abgeschlossenem Veredelungsprozess wird der so erzeugte Bodenverbesserer eingepflügt - ähnlich dem Misthaufen, nur deutlich produktiver. Denkbar wäre auch, auf diese Weise proteinhaltige Kleintiere zu züchten und als Futtermittel z.B. für Geflügel oder Fische einzusetzen. Die dabei gereinigten Abwässer könnten verregnet oder als Gießwasser in Gewächshäusern verwendet werden.
Eine "Gebäudehülle" ist (wenn überhaupt) nur zur Gewährleistung des notwendigen Betriebsklimas (im Winter) erforderlich: z.B. als leichte Stahlkonstruktion mit "solarfähigen" Foliendach und -wänden.

Geeignete Standorte:
- Bauernmarkt Dahlewitz/Brandenburg in Verbindung mit einer Biogasanlage (in Planung)
- Internationale Bauausstellung (IBA) "Fürst-Pückler-Land" Lausitz/Brandenburg

Prototyp 2: Das "IRMA-building" als Zentralbaukörper im Landwirtschaftsbetrieb
Brodowin

Zielgruppe: Gehöfte, Gartenbaubetriebe, Botanische Gärten, künstliche Oasen
Option: Gartenschauen, Betriebsgebäude

In dem bisher baukörperlich nicht belegten Zentralbereich des Landschaftsbetriebes Brodowin sollte ein Funktionsbaukörper mit gleichzeitig großer Ausstrahlungskraft in Bezug auf die ökologischen Ambitionen des Unternehmens entstehen. Ein Hofladen, zwei Konferenz- und Seminarräume, zwei Kleinwohnungen für Lehrlinge/Studenten, Büro- und Lagerflächen und ein Technikteil wurden terminalartig an einen zentralen Kuppelbau "gedockt", der sich wiederum auf die Folienhausdächer der Funktionalgebäude erstreckt. Die jeweilige Ver- und Entsorgungsstruktur, aber auch die Produktionserfordernisse von Kuppelbau und Folienhäusern können problemlos dem Aufkommen an "Betriebsmitteln" und dem wirtschaftlichen Profil des Unternehmens angepasst werden. Generell sinnfällig erscheint z.B. die Kombination mit einer Biogasanlage, deren Endprodukte Gas, ausgegorene Feststoffe und

Nutzwasser die Basis für die Produktion z.B. von Jungpflanzen, hochwertigem Obst- und Ge-müse, Heilpflanzen aber auch für die Fischzucht bieten. Kraftwärmekopplung auf Biogasbasis, Gebäudekonstruktion und Baustoffauswahl gewährleisten einen voll funktionsfähigen Ganzjahresbetrieb der Gesamtanlage.
Die Funktionalbauten sind dabei klimatisch wahlweise in den Folienkomplex oder den Außenbereich ein- und auskoppelbar. Die Grundversorgung erfolgt über eine Hypokaustendecke unter der Anlage.

Geeignete Standorte:
- Landwirtschaftsbetrieb Brodowin, 3 weitere interessierte Landwirtschaftsbetriebe

Prototyp 3: Das "IRMA-building" als solitärer Multifunktionsbaukörper für einen (sub-)
urbanen Standort auf dem WISTA-Gelände in Berlin - Adlershof

Zielgruppe: wie Prototyp 2, Stadtbrachen, Baulücken
Option: integrierte Gemeinschaftsanlagen

Auf einem noch näher zu bestimmenden Baugrundstück auf dem Areal des Wissenschaftsstandortes (WISTA) in Berlin - Adlershof beabsichtigt ein in der Umwelttechnik tätiges Ingenieurbüro die Errichtung eines quasi-autarken Multifunktionsgebäudes (Büros, Labore, Wohnen, Anzuchtflächen) nach dem Grundkonzept von Prototyp 2 - nur eben urbanen Erfordernissen und Rahmenbedingungen angepasst und mit Ausstrahlung auf die angrenzenden (Brach-) Flächen und die angesiedelten Forschungsunternehmen/Lehranstalten. Der Baukörpergrundriss entspricht bereits dem vorliegenden Erschließungsraster des Standortes.
Die geplante Ver- und Entsorgungstechnologie basiert auf dem gebietlichen Aufkommen an nachwachsenden Rohstoffen, häuslichen Fäkalien, Abwässern und Abfällen. Die Anzucht- und Anbauebenen sollten sowohl der Produktion hochwertiger Jungpflanzen, von Obst und Gemüse, Fischen und Geflügel sowie Energiepflanzen dienen können, um einen möglichst hohen Eigenversorgungsgrad zu erreichen (siehe Subsistenzwirtschaft). Gleichzeitig wird ein möglichst hoher Autarkiestandard in Energie-, Wärme-, Wasserver- und Abwasserentsorgung angestrebt, der je nach Bedarf und Außenklima flexibel steuerbar ist und letztendlich Erkenntnisse über Funktionsansprüche/-lösungen für künstliche Oasen liefern soll, die z.B. im arabischen Raum einsetzbar sind. Die Gesamtanlage soll dabei über hohe Gestalt-, Aufenthalts- und Erlebnisqualitäten verfügen.

Geeignete Standorte:
- WISTA - Gelände in Berlin - Adlershof
- Internationale Bauausstellung (IBA) "Fürst-Pückler-Land" Lausitz/Brandenburg

Prototyp 4: Das "IRMA-building-project" als Herzstück eines marktfähigen Gastro-
nomie-, Kultur- und Ökologiekomplexes auf dem Kleinen Müggelberg in
Berlin - Köpenick (Müggelturmareal)

Zielgruppe: vergleichbare Anlagen und komplexere Neubauten generell
Option: marktfähige Systemlösungen


Im Bebauungsplan-/ Entwurfsstadium befindet sich ein ehrgeiziges und sicherlich bald weit über die Stadtgrenzen von Berlin hinaus Aufsehen erregendes Projekt: Im Spannungsfeld von kulturellem Stellenwert, touristischer Anziehung und quasi-autarker Ver- und Entsorgungserfordernisse wird ab Ende 2002 die Neugestaltung des Müggelturmareals inmitten von Bergen, Wald und Wasser nach investiven Grundsätzen erfolgen. Die geplante Burganlage mit Hotel, Theater, Fernsehstudio, Landtherme usw. soll (und muss aufgrund ihrer naturräumlich hochsensiblen Lage) über nahezu alles an sicher einsetzbarer, dezentraler Umwelttechnologie verfügen, was derartige Komplexe ansonsten netzgebunden beziehen: quasi-autarke Stromversorgung über eine Brennstoffzelle (BEWAG), eine Groß-Photovaltaikanlage (Hülle des fast 30 m hohen Aussichtsturmes) und ggf. ein Windrad (auf dem Nachbarhügel), solare Brauchwasserversorgung/Raumwärmeeinspeisung (neben der Abwärme der Brennstoffzelle), eine Wasserrecycling-Anlage nach weiterentwickeltem Stensund-Prinzip, Holzbeton als Hauptwandbaustoff usw. Zu untersuchen ist, in wieweit das Betriebsmittel für die Brennstoffzelle auf lokaler Rohstoffform (Fäkalien, Gastronomieabfälle, Pflanzenschnitt, Resthölzer u.a.) wirtschaftlich herzustellen wäre. Die anfallenden Nebenprodukte (Naturdünger, Aschen) würden zur Anreicherung der extrem nährstoffarmen Waldkuppen, für den Hotelgarten und die gebäudeintegrierte Gewächshausproduktion wiederum vor Ort benötigt. Überschüssiges Recyclingwasser käme den Freianlagen aber auch der stark vom Trockenfall betroffenen Südwestflancke des kleinen Müggelberges zu gute. Entwurflich soll erstmals der Versuch unternommen werden, für eine derart komplexe Gebäudestruktur auf Basis einer kombinierten Lüftung/Heizung Passivhaus-Niveau zu erreichen. Über die systematische Begrünung der Außenhaut hinaus wird ein Kletterpflanzenarboretum angelegt, der Publikumsverkehr soll weitgehend über Solar-shuttles (auf Straße und Wasser) abgewickelt werden. Ein Betreiberverein für die Umwelttechnik sorgt gleichzeitig für deren allgemeine Öffentlichkeit.
Das zu erstellende "IRMA-building-project" müßte dafür sorgen, dass Umwelttechnik und Gebäudestruktur letztlich nicht "nebeneinander" stehen, sondern optimal integriert und damit von höchster Effizienz sind.

Geeignete Standorte:
- Müggelturmareal in Berlin - Köpenick und weitere Tourismusbetriebe in der näheren
Umgebung
- Projektförderantrag für die Konzipierung/Planung eines Modellvorhabens in Stendal-Süd
(Machbarkeitsuntersuchung)

Prototyp 5: Das "IRMA-building" als Foliengeschoss auf/an bestehenden Baukörpern mit
Kellergeschoss- und Freiflächenumnutzung - Die neue Gartenstadt

Zielgruppe: bestehende Gebäude und Siedlungen aller Art
Option: Internationale Bauausstellung (IBA) in Sachsen-Anhalt (in Planung)

Der vermutlich höchste Effekt in der Organisation kurzgeschlossener Stoff-, Energie- und Wasserkreisläufe lässt sich im Lebensumfeld des Menschen, also direkt in den bestehenden Siedlungen und Städten erzielen. Häufig sicher nicht unproblematisch, aber dann von hoher Akzeptanz (siehe die Wintergartennachfrage).
Insbesondere im Osten Deutschlands mit seinem Überhang von etwa 1 Million Wohnungen könnten sich ganze Siedlungsbereiche, wie die vielgeschmähten Plattenbaugebiete zu einer in der Architekturgeschichte bewährtesten städtebaulichen Grundstruktur, der Gartenstadt transformieren - nur auf dem heute verfügbaren biotechnologischen Niveau. Der im "Stadtumbauprogramm Ost" des BMVBW vorgesehene Rückbau von mehreren hunderttausend Plattenwohnungen böte dafür eine nahezu ideale Grundlage (zumal ein komplexeres Umbauleitbild ohnehin noch aussteht). Das städtebauliche Grundmuster, die soziale und technische Infrastruktur sowie die Verkehrswege könnten dabei sogar (kosrtensparend) erhalten werden - lediglich die nicht mehr benötigten Wohngeschosse würden (bis auf den Keller, das Erd- und ggf. das 1. Obergeschoss) demontiert. Es entstünden extrem preiswerte Reihenhhaussiedlungen mit den dazugehörigen erstmals vernünftig nutzbaren Freiflächen: den Gartenanlagen. Das notwendige neue Dach wird als Gewächshaus (4.9) konzipiert, ein modifiziertes IRMA-Konzept findet zudem im Kellergeschoss problemlos Platz und könnte schrittweise die (schon zu ihrer Bauzeit) ineffizienten Ver- und Entsorgungssysteme ablösen. Die Stadtrandsiedlung Stendal-Süd (5-geschossiger Plattenbau, 2200 Wohnungen mit kompletter Infrastruktur und Ortsteilzentrum) verfügt über einen wendebedingten Lehrstand von ca. 55 % und wird so für die Wohnraumversorgung der Stadt nicht mehr benötigt. Die Stadtverwaltung sucht nach einer Alternative zu den ansonsten unausweichlichen Flächenabbruch der Gesamtsubstanz, der z.B. auch die Versorgung der angrenzenden Eigenheimgebiete beträfe.
Bei einem Verbleib von etwa 300 dauerbenötigten Geschosswohnungen könnte der gesamte sonstige Wohnblochbestand zu etwa 150 - 200 Reihenhäusern nach vorgenanntem Prinzip umgebaut werden (- im Durchschnitt verbleiben von einem Aufgang mit 10 Wohnungen ein bis zwei Reihenhäuser). Aus der überzähligen Infrastruktur könnten Sonderwohnformen z.B. für ältere Bürger entstehen. Insgesamt reduzierte sich die Wohnungsanzahl auf den prognostizierten Bedarfswert von 500 - 600 WE.
Neben den sozialen und ökologischen Effekten ist vor allem der ökonomische Effekt interessant: es entfielen nicht nur 40 - 50 % der staatlich zu finanzierenden Abbruchkosten, der Wandel zu effizient erreicht- und betreibbaren Eigenheimstrukturen (-einzig dafür gibt es in Stendal noch einen Bedarf) könnte extrem kostengünstig stattfinden.
Das Prinzip ließe sich ohne weiteres z. B. auch auf Stendal-Stadtsee und den Großteil aller Plattenbaugebiete in Ostdeutschland übertragen.

Geeignete Standorte:
- Stendal - Süd, - Stadtsee, Wolfen-Nord, Magdeburg-Olvenstedt, Halle-Neustadt usw. usw.

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